Finanzplanung im Ruhestand: klug und weitsichtig planen.
Der Ruhestand mag gefühlt noch in weiter Ferne liegen – doch wer später gut leben will, muss heute klug vorsorgen. Wie eine durchdachte Finanzplanung aussehen kann und welche Stellschrauben besonders für die Generation 50+ jetzt wichtig sind, beleuchtet dieser Artikel.
„Vorbeugen ist besser als Bohren“ – viele Ältere unter uns erinnern sich vielleicht noch an diese heute beinahe ikonische Werbung für eine Zahncreme. Zwar haben der künftige Ruhestand und die Gefahr kariöser Zähne auf den ersten Blick rein gar nichts miteinander zu tun. Gleichwohl lässt sich die eindringliche Empfehlung zur vorbeugenden Mundhygiene auch auf die Ruhestandsplanung übertragen. Lieber mit Mitte 50 die Finanzen im Ganzen analysieren und bei Bedarf neu strukturieren, als später im Ruhestand zu darben und erhebliche Abstriche am bis dato gewohnten Lebensstandard zu machen.
Wie also sollte eine kluge und weitsichtige Planung für den künftigen Ruhestand aussehen? Und was kann die Generation 50+ schon heute tun, damit später – nach Abschied aus dem Erwerbsleben – Schmalhans nicht Küchenmeister wird? Der Leser sei dabei gewarnt: Finanzplanung für den Ruhestand erfordert zweifellos Aufwand. Doch der lohnt sich – und jede Minute, die Sie sich mit Ihrer Finanzplanung für den Ruhestand beschäftigen, ist bestens investierte Zeit.
Bestandsaufnahme: Haben und Soll im Vergleich.
Im ersten Schritt der finanziellen Ruhestandsplanung geht es um den Kassensturz und das Gegenüberstellen von derzeitigen und (geschätzten) künftigen Einnahmen und Ausgaben. Denn in den nächsten 10, 12 oder 15 Jahren kann sich bei Soll und Haben noch so einiges ändern. Die Änderung der familiären Situation etwa durch Scheidung, der Verlust des Arbeitsplatzes gegen eine Abfindung oder auch die Entscheidung für eine Altersteilzeit bzw. den vorgezogenen Ruhestand. All dies und einiges mehr beeinflussen naturgemäß die finanzielle Situation.
Auf der aktuellen Soll-Seite stehen etwa Miete oder die Tilgung und Zinsen für ein Hypotheken-Darlehen, Lebensmittel, Ausgaben für Freizeit und Urlaube, regelmäßige Zahlungen an den Nachwuchs, Versicherungsbeiträge und einiges mehr. Die Einnahmenseite speist sich aus dem aktuellen Erwerbseinkommen respektive – bei Selbstständigkeit – dem Netto-Gewinn, gegebenenfalls Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünften wie Zinsen und/oder Dividenden.
Wer beim Abgleich von Haben und Soll schwarze Zahlen schreibt sowie über ausreichend Vermögen verfügt, hat – zumindest theoretisch – ausreichend finanziellen Spielraum für die Geldanlage. Dabei kann es sich um langfristige Investments in Aktien oder Anleihen handeln, aber auch um die Aufstockung der Liquiditätsreserve durch angemessen verzinste Einlageprodukte wie Tages- und Festgeld.
Geschätztes Soll und Haben im Ruhestand.
Der (grobe) Abgleich von Einnahmen und Ausgaben im Ruhestand ähnelt durchaus jenem während des Erwerbslebens. Gleichwohl gibt es einige – teils gravierende – inhaltliche Unterschiede. Wer jetzt noch die Reste des Immobilien-Darlehens bedient, sollte sein Eigenheim spätestens bei Beginn des Rentenalters entschuldet haben. Die dann fehlenden Kreditverpflichtungen entlasten die Ausgabenseite der Haushaltskasse spürbar und schaffen so mehr Spielraum für die Geldanlage oder, ganz nach Belieben, für den Genuss des Lebens in vollen Zügen. Oft hat dann auch der Nachwuchs seine Ausbildung beendet, sodass er den Eltern nicht weiter auf der Tasche liegt. Auch daraus resultieren – teils erhebliche – Einsparungen.
Auf der Einnahmenseite wird im Ruhestand das Erwerbseinkommen durch die gesetzliche Rente ersetzt sowie gegebenenfalls durch eine betriebliche Altersversorgung (bAV). Bereits mit Mitte 50 lässt sich die Höhe dieser beiden Versorgungsleistungen – zumindest prognostisch – ermitteln. Diese Werte sind dann auch vergleichsweise valide, falls bis zum Rentenbeginn nichts Unvorhergesehenes wie Unfall, längere Krankheit oder Arbeitslosigkeit dazwischenkommt.
Die Einkünfte aus Kapitalvermögen könnten dann durchaus höher ausfallen als heute: aufgrund von Wertzuwächsen etwa bei Aktien- und Fondsinvestments sowie höhere Zins- und Dividendenerträge, weil zwischenzeitlich weiter investiert wurde. Zudem besteht die berechtigte Aussicht, dass im Rentenalter auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Vergleich zu heute gestiegen sind, weil zwischenzeitlich – in der Hauptsache bei Mieterwechseln – der Mietzins heraufgesetzt wird.
Falls also der Himmel nicht auf die Erde fällt, hat die passabel bis gut verdienende Generation 50+ von heute während des Ruhestands mehr Geld übrig als jetzt und somit auch mehr finanziellen Spielraum, um wahlweise den Herbst des Lebens zu genießen oder aber möglichst viel von den vorhandenen Vermögenswerten an die nächste Generation weiterzugeben.
Was für den sorgenfreien Ruhestand nötig ist.
Das Leben geht weiter – auch und vor allem im wohlverdienten Ruhestand. Gleichwohl dürfte sich dann einiges ändern. Und vieles von dem, was neu oder zumindest anders ist, hat mit Geld zu tun. Was also ist nötig für den weitgehend sorgenfreien Herbst des Lebens? Ein kurzer Überblick über Grundlegendes:
• Risiken fürs Hab und Gut. Um diese zu begrenzen oder gar auszuschließen, gibt es Versicherungen. Etwa die Privat-Haftpflicht, die Personen- und Sachschäden bei Dritten reguliert; die Wohngebäude-Versicherung mit Elementarschutz, die die Unbilden der Natur bzw. deren existenzbedrohende Folgen abdeckt; die Vollkasko, die vor Kosten aufgrund von selbstverschuldeten Schäden mit dem geliebten Auto schützt. Dieser und auch anderer Versicherungsschutz mag mit Mitte 50 noch alternativlos sein. Doch nicht alle Versicherungen sind im Ruhestand noch nötig – das entscheidet maßgeblich die individuelle Lebensplanung.
• Gesundheitsvorsorge. Diese ist tatsächlich alternativlos. Zum Glück werden wir – statistisch gesehen – älter. Die steigende Lebenserwartung ist hauptsächlich dem medizinischen Fortschritt geschuldet, der selbstverständlich eine Menge Geld kostet. Nach wie vor und trotz aller berechtigten Kritik gilt Deutschland in punkto Gesundheitsvorsorge und Versorgung bei Krankheit weltweit als vorbildlich. Auch dank des Miteinanders von Gesetzlicher Krankenkasse sowie Privater Krankenversicherung. Bei der finanziellen Ruhestandsplanung besteht bei Besserverdienenden allerdings die Frage, ob die Mitgliedschaft in der „Privaten“ auch während des Ruhestands beibehalten wird. Und falls ja, in welchem Tarif bzw. welchen Tarifen. Oder aber ob ein Umstieg in eine Gesetzliche Krankenkasse nicht doch sinnvoller ist. Letztlich ist dies eine Frage des Geldes, sprich: der Kassen- bzw. Versicherungsbeiträge. Und selbstverständlich eines Leistungsvergleichs der beiden Systeme. Zu bedenken ist aber, dass die Beiträge zur Privaten Krankenversicherung in den vergangenen Jahren teils sprunghaft und dramatisch gestiegen sind, weil deren Höhe vor allem von den bei den Versicherern zu erwartenden Leistungsrisiken abhängig ist. Die Gesetzliche hingegen beruht auf dem sogenannten Solidarprinzip: Die Beitragshöhe hängt hauptsächlich von politischen Entscheidungen ab. An dieser Stelle den Rat zu geben, ob ein Ausstieg aus der Privaten Krankenversicherung oder der Umstieg auf einen Basistarif lohnt, ist nicht möglich. Das hängt vom familiären Umfeld und dem individuellen Bedarf ab.
• Sparen & Investieren. Das A und O einer klugen und weitsichtigen Ruhestandsplanung sind die „Finanzen im Ganzen“. Erfahrungsgemäß hat der Mix aus liquiditätsorientierten Einlageprodukten wie Tages- und Festgeld sowie mittel- und langfristigen Investitionen in Aktien, ETFs und Fonds ein akzeptables Chance-Risiko-Verhältnis. Dieser strategische Ansatz ist praktisch für Menschen jedes Alters empfehlenswert, erst recht aber für die Generation 50+. Denn von dieser – zweifellos individuellen – Mischung hängt ab, ob Leben und Genießen während des Ruhestands tatsächlich auf einem soliden finanziellen Fundament ruhen.
Die strategischen Weichen für einen finanziell weitgehend sorgenfreien Ruhestand sollten spätestens zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr gestellt werden. Ziele sind dabei, vorhandenes Vermögen zu bewahren und gegebenenfalls noch behutsam weiter auszubauen, während des Ruhestands möglichst hohe Erträge aus vorhandenen Kapitalanlagen zu generieren, um die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufzubessern, und ausreichend Liquidität vorzuhalten, um auch spontan die Süße des Lebens zu genießen.
Finanzielle Ruhestandsplanung – ein möglicher Mix unterschiedlicher Anlageformen.
Mit Mitte 50 und bisherigem Erfolg im Beruf dürfte sich in der Regel ein durchaus ansehnliches Vermögen angesammelt haben. Oft ist dieses Vermögen – statistisch gesehen – immobilienlastig. Das Eigenheim ist der Klassiker, nicht selten angereichert durch eine oder mehrere Mietwohnungen oder gar ein ebenfalls vermietetes Mehrfamilienhaus. Ergänzt wird der dominierende Vermögenswert „Immobilien“ durch Anwartschaften in der betrieblichen und/oder privaten Altersvorsorge, Wertpapiere und – quasi als schnelle Eingreiftruppe – Fest- und Tagesgelder.
Erfahrungsgemäß steht die finanzielle Zukunftsstrategie unter diesen drei Vorzeichen:
- (schrittweise) Reduzierung des Anlagerisikos
- teilweise Umschichtung von Immobilien in liquide Vermögenswerte
- Weitergabe von Vermögenswerten an die nächste Generation
Strategische Möglichkeiten unter der Lupe.
Wenden wir uns als erstes dem Thema „Verringerung des Anlagerisikos“ zu. Aktienbasierte Investments, wozu auch Aktien-ETFs sowie gemanagte Aktienfonds zählen, bieten langfristig sehr gute Renditechancen. Aber: Die Aktienmärkte können auch schwankungsintensiv sein.
Deshalb tut die Generation 50+ gut daran, das Aktien-Exposure bis zum Beginn des Ruhestandes spürbar zu reduzieren. Denn es käme einer Katastrophe gleich, würden die Aktienmärkte just zu Beginn des Ruhestandes den Rückwärtsgang einlegen. Teils drastische Vermögenseinbußen wären dann die Folge, die die gesamte Finanzplanung für den Ruhestand durcheinanderwirbeln.
In welche risikogedämpften oder risikofreien Anlageformen Aktieninvestments umgeschichtet werden, bleibt jedem selbst überlassen. Infrage kommen Anleihen von Schuldnern erstklassiger Qualität und nicht zuletzt Fest- und Tagesgelder, die der europäischen sowie der Einlagensicherung der Bankenverbände unterliegen.
Ein Thema für sich sind Immobilien. So solide und wetterfest ein Eigenheim auch sein mag – mit zunehmendem Alter kann sich vor allem eine selbstgenutzte Immobilie als Klotz am Bein erweisen. Und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Zwar ist ein schuldenfreies Eigenheim gleichbedeutend mit einem Rentenzuschlag. Doch der finanzielle Vorteil löst sich oft und im Handumdrehen in Luft auf, weil Immobilien, je älter sie werden, regelmäßig renoviert, modernisiert oder gar saniert werden müssen.
Wer es also emotional verkraftet, trennt sich von den eigenen vier Wänden und investiert den Verkaufserlös in liquiditätsorientierte Anlageformen. Infrage kommen einmal mehr Fest- und Tagesgelder sowie ETFs, Fonds oder Anleihen.
Welche Anlageformen zu welchem Anteil dabei jeweils berücksichtigt werden, hängt einmal mehr von den individuellen Erfordernissen ab. Aber (siehe oben): Schwankungsanfällige und deshalb riskante Anlageformen wie Aktien sollten im Portfolio eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Weniger Risiko und mehr Liquidität bei der Geldanlage in den Jahren vor dem Ruhestand und während des Ruhestandes sind überdies eine gute Basis für die Weitergabe des Vermögens – oder Teile davon – an die nächste Generation. Dabei bleibt es jedem selbst überlassen, ob dies mit „warmer Hand“, also durch Schenkung, erfolgt oder erst nach dem eigenen Ableben als Erbschaft.
Eine Schenkung hat oft erhebliche steuerliche Vorteile, weil der Nachwuchs zehn Jahre danach seine steuerlichen Freibeträge erneut nutzen darf. Achtung: Rechtlicher Beistand durch einen Notar ist hier sinnvoll!
Fazit: Heute handeln, um morgen sorgenfrei zu leben.
Der Übergang in den Ruhestand darf nicht dem Zufall überlassen sein – er verlangt Strategie, Umsicht und eine individuelle Finanzplanung. Wer frühzeitig aktiv wird, Risiken reduziert und klug investiert, schafft die besten Voraussetzungen, um den Herbst des Lebens finanziell selbstbestimmt und sorgenfrei zu genießen.
Über den Autor.
Heinz-Josef Simons, Jahrgang 1956, arbeitet seit gut 30 Jahren als Wirtschafts- und Finanzjournalist, überdies seit rund zehn Jahren als Kommunikationsberater.
Nach seinem Magister-Abschluss an der RWTH Aachen in den Fächern Germanistik, Anglistik und Politische Wissenschaft waren die ersten beruflichen Stationen Mitte der 1980er Jahre der Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen (Pressesprecher) sowie bis Mitte der 1990er Jahre einer der größten deutschen Finanzvertriebe (Kommunikationschef und Redenschreiber).
Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er frei. Geschrieben hat er unter anderem für Financial Times Deutschland, Börse Online, das frühere Verbrauchermagazin DM, GeldIdee, Impulse, Capital, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, Immobilien Manager und zahlreiche andere.